Die Zukunft der Gesundheitsversorgung in der postpandemischen Realität
PD Dr. med. Rene Burchard, MHBA
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HerunterladenWie ist die Gesundheitsrevolution zu schaffen? Bewältigung von Herausforderungen in der neuen Realität nach der Pandemie.
Als Folge der COVID-19-Pandemie erfährt das Gesundheitswesen eine umfassende Veränderung, die eine Neubewertung der bestehenden Strukturen und Praktiken erfordert. Dieses Weißbuch beleuchtet die direkten Herausforderungen, denen sich der Gesundheitssektor in der Ära nach der Pandemie gegenübersieht, insbesondere angesichts demografischer Veränderungen und knapper Ressourcen. Mit einer alternden Bevölkerung und einem drohenden Mangel an Fachkräften werden die traditionellen Paradigmen der Gesundheitsversorgung auf eine bisher nicht dagewesene Weise auf die Probe gestellt. Durch die Untersuchung dieser Schlüsselthemen streben wir an, Einblicke zu geben, wie Gesundheitssysteme in einer von Unsicherheit und Veränderung geprägten Ära innovativ, anpassungsfähig und erfolgreich sein können.
Inhalt
1. Die Zukunft der Gesundheitsversorgung in der postpandemischen Realität.
2. Die notwendige Revolution des Gesundheitswesens.
3. Das Gesundheitssystem der Zukunft wird sich auf drei entscheidende Säulen stützen.
4. Patientenzentrierung und Prävention.
5. Gesundheitsdatenbereitstellung.
6. Gap-Filling.
Die Zukunft der Gesundheitsversorgung in der postpandemischen Realität.
Nachdem die Welt während der vergangenen COVID-Pandemie nahezu still stand, haben sich viele bis dato selbstverständliche Abläufe des täglichen Lebens sowie Prozesse aus Industrie und Wirtschaft grundlegend geändert.
Eine Zeitenwende gab es nicht nur aufgrund von geopolitischen Veränderungen, sondern auch aufgrund von bis dahin nicht gekannten Störungen der Wertschöpfungs- und Lieferketten. So fehlen heute Computerchips für die Automobilindustrie, Koffer bleiben auf Rollfeldern stehen, Müllbehälter an Straßen oder Züge fahren aufgrund von unbesetzten Stellwerken nicht mehr.
Die Ressourcenknappheit ist hier nicht etwa aufgrund eines Mangels an Rohstoffen begründbar, sondern vielmehr aufgrund der Knappheit der Ressource ‚Mensch‘ bzw. Fachkraft.
Durch die demographische Entwicklung steht insbesondere dem Gesundheitswesen eine prekäre Herausforderung bevor. So werden in den nächsten Jahrzehnten vor allem in den Industrienationen Bevölkerungsrückgänge, insbesondere der jungen und mittelalten, normalerweise der Wertschöpfung zur Verfügung stehenden Altersgruppen prognostiziert. Hingegen steigen wird der Anteil an älteren und hochbetagten Menschen, die einer entsprechenden Gesundheitsversorgung zugeführt werden müssen. Die in den Kommenden Jahren in das Rentenalter eintretenden ‚Babyboomer‘ werden eine enorme Traube in der Alterspyramide darstellen und gleichzeitig am Arbeitsmarkt fehlen.
Doch wer soll diese Menschen im Rahmen der allgegenwärtigen Personalknappheit später noch pflegen beziehungsweise ihre Gesundheitsversorgung sicherstellen?
Die notwendige Revolution des Gesundheitswesens.
Aufgrund dieser skizzierten Prognose muss insbesondere auch das Gesundheitswesen und die medizinische Versorgung der Bevölkerung vollständig neu gedacht werden. Viel zu lange wurde an den alten, im letzten Jahrhundert etablierten Strukturen festgehalten. Gefolgt von hektischen Versuchen einer Neustrukturierung, die jedoch wie derzeit geplante Reformen nicht der Entwicklung der Bevölkerungsstruktur Rechnung tragen. Insbesondere die Versorgung der Alten und Hochbetagten wird zu einer nicht bekannten Herausforderung werden. Und dies nicht etwa in einigen Jahrzehnten, sondern eher mittelfristig.
Es ist somit an der Zeit, die Gesundheitsversorgung an die neue Realität anzupassen und Strukturen zu schaffen, die trotz knappen Personals eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung gewährleisten. Der stillstehende Koffer am Flughafen mag zwar ärgerlich sein, führt jedoch in der Regel nicht zu manifesten Problemen. Eine (personelle) Unterversorgung in der Gesundheitsversorgung hingegen hat einen unmissverständlich enormeren Impact. Bis dato funktioniert das System auch aufgrund der philanthropen Arbeitseinstellung der medizinischen Fachberufsgruppen wie zum Beispiel der Pflegekräfte und der Ärzteschaft. Doch auch hier bröckelt die Bereitschaft, sich für die Patienten in einer immer prekärer werden Arbeitsumgebung aufzuopfern und ein Exodus aus der patientenbezogenen Medizin hat still und leise begonnen.
Somit gilt es, den Zerfall des Systems aufzuhalten, indem man es vollständig restrukturiert und dies muss disruptiv erfolgen.
Das Gesundheitssystem der Zukunft wird sich auf drei entscheidende Säulen stützen.
Patientenzentrierung und Prävention. Indem sich die Gesundheitsversorgung patientenzentriert aufstellt, wird erstmals eine neuartige Ausrichtung auf den Hauptprotagonisten im Gesundheitssystem etabliert. Hierzu zählt ebenso eine Neuorientierung weg von der reagierenden hin zur präventiven Medizin und dies möglichst technologisch unterstützt. So sind bereits heute Machine-Learning basierte Algorithmen dazu in der Lage, Krankheitsrisiken vorauszuberechnen und präventive sowie diagnostische Maßnahmen noch vor Auftreten der ersten Symptome in die Wege zu leiten.
Gesundheitsdatenbereitstellung. Mehr denn je bedarf es einer Harmonisierung der vorhandenen Patientendaten und die allumfassende Bereitstellung dieser Datensätze in einem einheitlichen und grenzüberschreitenden Gesundheitsdaten-Universum.
Gap-Filling. Weiterhin muss die eigentliche Versorgung beziehungsweise der Zugang zu dieser neu gestaltet werden. Das Modell Haus- oder Facharztbesuch sowie Aufsuchen der Notaufnahme muss so weit wie medizinisch sinnvoll durch technisch unterstützte Gesundheitsmaßnahmen entlastet werden. Telemedizinische Angebote oder aber auch die Nutzung von künstlicher Intelligenz werden hier das Bild der Primärversorgung prägen. Dies ist nicht zuletzt aufgrund der sich auftuenden Versorgungslücke durch wegbrechendes medizinisches Fachpersonal unabdingbar.
Patientenzentrierung und Prävention.
Patientenzentrierung. Oftmals wird in der Diskussion über die Neustrukturierung der Gesundheitsversorgung der wichtigste Stakeholder vergessen: der Patient. Neben individualisierter Medizin gilt es ebenso die Versorgung näher am Patienten zu etablieren. Eine dezentrale Primärversorgung mit Diagnostikzentren und telemedizinischen Konzepten bis hin zu digitalen Heimdiagnostik-Tools wird im Umfeld der Ressourcenknappheit ein wichtiger Baustein der künftigen patientenzentrierten Versorgung sein. Dies mit steigender Qualität und gleichzeitiger Kostenreduktion durch ein umfängliches ambulantes Setting. Wohnortnähe kann so durch telemedizinische Lösungen neu geschaffen werden und die Patienten sicher anbinden.
Prävention. Unsere hochtechnisierte Medizin basiert seit Jahrzehnten auf der (oft kostspieligen) Behandlung von Erkrankungen. Prävention als krankheitsvermeidende Strategie ist zwar gesetzlich verankert, wird jedoch wenig gelebt. In Zukunft könnten intelligente Algorithmen auf Basis vieler hunderttausender Datensätze und ständig hinzukommender Informationen individuelle Risiken einschätzen und den Patienten alarmieren. So würde das Konzept der symptombezogenen Arztbesuche in ein Konzept der ständigen Prävention umgewandelt. Die Patienten selbst nehmen eine zentrale Rolle ein und nehmen aktiv an ihrer eigenen Gesunderhaltung teil.
Gesundheitsdatenbereitstellung
Während vielerorts papierbasierte und digitale Akten in einem fehleranfälligen Parallelsystem betrieben werden und während Kommunikation weiterhin über CDs und Faxgeräte stattfindet, bleibt letztlich die Qualität der Daten und der Datennutzung weit hinter den Möglichkeiten unseres digitalen Zeitalters zurück. Viele potenzielle Ansätze scheitern an Datenschutzbedenken, technischen Defiziten und fehlender Rahmenbedingungen für eine einheitliche Gesundheitsdatenaufbereitung.
Der Aufbau einer intelligenten Datenplattform mit Vernetzung der beteiligten Gesundheitsdienstleister ist unabdingbare Grundvoraussetzung für ein funktionierendes und grenzüberschreitendes Gefüge, in dem sich der Patient samt seiner digitalen Akte ohne Datenverlust oder Redundanzen einer verlustfreien Versorgung (unter vollständigem Wissen über seine Gesundheitskonditionen) gewiss sein darf.
Die knappe Ressource ‚medizinisches Personal‘ darf nicht länger mit der Beschaffung von Patientendaten und einer insuffizienten Verwaltung dieser Daten verschwendet werden. Funktionierende Systeme wie zum Beispiel aus Skandinavien sollten europaweit etabliert und schnellstmöglich bereitgestellt werden. Auf Basis dieser neuen Datenbanken wird sich notwendigerweise ein Daten-Universum bilden, welches mannigfaltige Optionen von künstlicher Intelligenz angefangen bis hin zu echter intersektoraler Verlinkung der Gesundheitsdienstleister eröffnen wird.
Gap-Filling
Arbeitskräftemangel. Die sicherlich größte Herausforderung der kommenden Jahrzehnte wird der zunehmende Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesens sein. Umso wichtiger ist es, medizinisches Personal durch entsprechende Arbeitsbedingungen (inklusive des eigenen gesundheitlichen Wohlbefindens) sowie durch den Einsatz von Automatisierung/Digitalisierung und moderner Technologie zur Bewältigung der täglichen Aufgaben zu binden und wenn möglich neue Mitarbeiter hinzuzugewinnen. Der Arbeitsplatz Krankenhaus und Arztpraxis sollte in Zukunft wieder attraktiv werden und vor allen Dingen umgehend entbürokratisiert werden.
Gesundheitshaus anstatt Krankenhaus. Im Zuge der Einbindung des Patienten selbst in die Prozesse der Gesundheitsversorgung muss zunehmend auch der Erwartung der Patienten an Therapie und Behandlung Gehör geschenkt werden. Hier ist Flexibilität und auch ein Mitbestimmungsrecht bei Entscheidungen sowie eine individuelle und auf die entsprechenden Bedürfnisse eingestellte Medizin notwendig. Transparenz und Personalisierung stehen neben einem Mehr an Komfort und heilungsfördernden Infrastrukturen im Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung der Zukunft. Dies in Kombination mit präventiver Medizin, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen und die Lebensqualität langfristig zu sichern.
Telemedizin und Digitalmedizin. Laut aktuellen Erhebungen wählen insbesondere jüngere Menschen aus der Generation Z Gesundheitsanbieter auch aufgrund deren digitaler Angebote aus. Nicht nur für diese Generation wird die Unterstützung der gesamten Gesunderhaltung durch digitale Lösungen sehr zeitnah ein klarer Trend sein. Apps, Wearables und Homecare-Technologien monitoren die individuelle Gesundheit und interagieren mit den Nutzern sowie deren Gesundheitsfachkräften.
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